13. Januar 2023
Heute geht es um ein in der Theorie offensichtlich ganz banales, aber in der Praxis oft vernachlässigtes Thema. Um das zu verdeutlichen möchte ich am Anfang wieder eine Zahl in den Raum stellen. 80% der mir in der Praxis vorgestellten Krankheiten bei Kaninchen sind verursacht durch eine falsche Haltung und die Ernährung ist in diesem Zusammenhang sicherlich ein „Big Player“. Ziel einer artgerechten Fütterung muss es sein, der Natur möglichst nahe zu kommen und das ist eigentlich gar nicht so schwer. In diesen Situationen stelle ich den Tierbesitzern gerne die Frage was sie unter einer natürlichen Ernährung verstehen. Die Klassiker bei den Antworten sind immer Salat, Karotten, Gurken, Pellets, trockenes Brot und Petersilie. Meine nächste Frage ist dann, welche der genannten Dinge überhaupt im natürlichen Lebensraum eines Kaninchen vorkommen.......meist folgt nur ein betretenes Schweigen. Dabei ist die Antwort doch ganz einfach...Gras, Gras, Gras, und nochmals Gras, denn viel mehr gibt es auf normalen Wiesen nicht. Ok, während der Erntezeit fällt schon mal das ein oder andere Getreidekorn auf den Boden, aber glauben sie nicht, dass diese alle immer die Kaninchen abkriegen, denn hier herrscht eine erbarmungslose Nahrungskonkurrenz mit allem was in der Flur so läuft, kriecht und fliegt. Um das ganze etwas besser zu verstehen, sollten wir uns kurz mit der natürlichen Nahrungsaufnahme der Kaninchen beschäftigen, es dreht sich im deren Leben wirklich fast nur um 2 Dinge, nämlich Fressen und Fortpflanzung. Dazu hat die Natur sie mit einer perfekt auf den Lebensraum abgestimmten Anatomie ausgestattet. Das fängt bei den Zähnen an und setzt sich mit einem Verdauungstrakt fort, der mit einem riesigen Blinddarm mit Unmengen an Bakterien darin ausgestattet ist, um die rohfaserreiche Kost überhaupt verdauen zu können. Wenn sie sich also nicht gerade fortpflanzen fressen sie eigentlich immer. Mit ihren scharfen Frontzähnen schneiden sie die Gräser in kleine Stücke um diese dann mit den Backenzähnen zu zermahlen. Hierzu muss man wissen, dass die Zähne permanent nachwachsen, denn der Abrieb der Zähne beim Kauen von rohfaserreichem Material ist sehr groß. Man rechnet ungefähr 2-3 mm Zahnwachstum pro Woche. Den Zähnen ist es dabei aber völlig egal was das Tier frisst, sie wachsen munter weiter, auch wenn sie durch weiche Nahrung (z.B. Gurken) gar keinen Abrieb ausgleichen müssen. Folge: massive Zahnprobleme. Hat es dann das zermahlene Gras bis in den Blinddarm geschafft, fangen die fleißigen Bakterien mit der Zersetzung an. Dumm ist nur, dass diese Bakterien sich auf Rohfaser spezialisiert haben und z.B. mit Kohlehydraten aus Getreide, Obst oder Brot überhaupt nichts anfangen können. Folge: Verdauungsstörungen (oft lebensbedrohlich). Und dann ist da auch noch der Mineralstoffgehalt, hier insbesondere das Kalzium im Futter von großer Bedeutung, denn ein Überschuss wird über die Niere mit dem Urin ausgeschieden. Folge: Harnsteine bzw. sogenannter Blasenschlamm. Leider finden sich aber viele Futtermittel mit hohem Kalziumgehalt auf dem täglichen Speiseplan von Kaninchen, z.B Löwenzahn, Luzerne (Achtung Hauptbestandteil vieler Pellets!!!), Petersilie , Almwiesenheu (mit vielen Kräutern), Kalknagersteine (wer die erfunden hat, hat noch nie eine Kaninchenwiese gesehen, oder wachsen dort Steine???) und vieles mehr. So enthalten auch die Rinden von Weiden- oder Eschenästen viel zu viel Kalzium, obwohl Äste an sich sehr gut für die Zahngesundheit sind. Sie sehen man kann, insbesondere wenn man der Tierfuttermittelindustrie blind vertraut, sehr viel falsch machen. Sparen sie sich lieber das Geld für das ganze kommerziell hergestellte „junk food“ für Kaninchen, gehen sie mit der Familie auf eine Wiese und was sie da finden ist schon mal eine sehr gute Grundlage für eine gesunde Kaninchenernährung. In der Praxis halten wir für unsere Patienten weiteres Infomaterial und Listen mit geeigneten Futtermitteln parat, sprechen sie uns gerne an.